Gibt es das, Pilze, die durch Schnee und Eis wachsen? Bei einem Spaziergang durch meinen Garten stoße ich auf sie. Ich traue meinen Augen kaum. Aber es ist so. Auf einem Baumstumpf, der kaum aus dem Boden ragt, wachsen sie in einem Büschel. Die ockergelben Hüte und samtbraunen Stiele zeichnen sich deutlich gegen den Schnee ab.
Mein Pilzbuch bestätigt es: Der Samtfußrübling, Flammulina velutipes, wächst vom Herbst bis zum Frühjahr auf abgestorbenen Laubbäumen. Ein Besuch im Internet und das Stöbern in Fachbüchern fördern noch viel Erstaunlicheres über die Pilze zu Tage.
Pilze bilden ein eigenes Reich. Sie sind weder Pflanze noch Tier. Zu ihnen gehören Einzeller wie die Backhefe und Mehrzeller wie die Schimmel- und Speisepilze. Früher hat man sie zu den Pflanzen gezählt. Aber wegen ihres Stoffwechsels gehören sie eher zu den Tieren. Das sind sie aber auch nicht, weil sie sich nicht bewegen können. Also hat man sie kurzerhand in eine eigene Gruppe gesteckt. Zu den Tieren könnten sie gehören, weil sie ihre Vorräte an Kohlenhydraten wie die Menschen und Tiere als Glykogen anlegen und nicht wie die Pflanzen als Stärke. Zum Tier grenzen sie sich aber ab, weil ihre Zellen Zellwände und Vakuolen besitzen wie die Pflanzen. Aber die Pflanzen wiederum besitzen Chlorophyll. Damit betreiben sie die Photosynthese. Das fehlt den Pilzen wiederum. Also sind sie in einer eigenen Gruppe am besten untergebracht.
Im Reich der Pilze
Etwa 140.000 Pilzarten gehören dazu. Die uns bekannten Speisepilze machen nur einen winzig kleinen Teil davon aus. Sehr gut untersucht hat man in der Vergangenheit die Gattungen Penicillium, von denen das Penicillin herkommt, die Aspergillusarten, z.B. als Erreger einer Lungenkrankheit, und die Saccharomyces, zu denen die Bäckerhefe gehört. Speisepilze hatten bisher nur in Asien als Heilpilze Tradition. Doch das Interesse an Speisepilzen und deren medizinisch wirksamen Inhaltsstoffen wächst auch bei uns.
Der Pilz als Fruchtkörper, also das, was wir als Speisepilz bezeichnen, wächst nur, wenn eine weibliche und eine männliche Gametenzelle miteinander verschmelzen. Sonst vermehren sich die Pilze ungeschlechtlich über Sporen oder durch Teilung von Hyphen. Es muss auch genügend Feuchtigkeit da sein und für das Mycel, den eigentlichen, meist unsichtbaren Pilzkörper, muss es genügend Nahrung geben sein. Dann können sich die langen, mikroskopisch dünnen Zellfäden, die man in der Fachsprache Hyphen nennt, verdichten, aus dem Boden oder Holz herauswachsen und den typischen Fruchtkörper entstehen lassen. Der Österreicher sagt „Schwammerln“ dazu. Der Bau und das Aussehen sind ganz entscheidend für eine sichere Bestimmung. Man beobachtet die Form und Farbe des Hutes, die Art der Lamellen, Poren oder Röhren, den Stiel, die Umgebung, in der der Pilz wächst, den Geruch und vieles mehr.
Speisepilze
Unsere Speisepilze wachsen entweder als Symbionten mit den Wurzeln bestimmter Bäume (Steinpilz, Pfifferlinge, Trüffel) oder als Saprophyten auf Holz oder Laub (Champignon, Austernseitlinge, Shiitake). Saprophytische Pilze sind sehr leicht zu kultivieren und sind daher wichtige Markt- und Speisepilze.
Zusammensetzung und Nährstoffe
Wie unsere verschiedenen Gemüsesorten besteht der Fruchtkörper der Pilze zu einem hohen Anteil aus Wasser. Auch der Nährwert ist in etwa gleich. Den Eiweißgehalt kann man mit den Hülsenfrüchten vergleichen. Der Fettgehalt ist verschwindend gering. Der hohe Gehalt an Ballaststoffen regt die Darmtätigkeit an und vergrößert das Stuhlvolumen. Gerade diese Ballaststoffe sind medizinisch sehr interessant. Sie bestehen aus löslichen und unlöslichen Bestandteilen. Die löslichen wirken gleich wie das Pektin aus den Früchten. Sie bilden eine gelartige Substanz, in der die unlöslichen Bestandteile wie die Chitinfibrillen eingelagert sind. Neben der Anregung der Darmtätigkeit können sie auch den Cholesterinspiegel und den Blutzuckerspiegel senken. Sie wirken antiviral und antibakteriell, bekämpfen also Krankheitserreger wie Viren und Bakterien.
Gesund mit Pilzen
Das Ergosterol, ein typisches Pilzsterol, das ähnlich aufgebaut ist wie unser Cholesterin, bietet Schutz vor Darmkrebs und kann den Cholesterinspiegel senken. Pilze enthalten Vitamin D und Vitamin B12, zwei Vitamine, die sonst nur in tierischen Lebensmitteln vorkommen. Vitamin D kommt besonders in Steinpilzen und Morcheln vor und B12 in den Champignonarten. Pilze gelten auch als gute Kalium-, Eisen-, Phosphor-, Mangan-, Kupfer- und Zinnquellen. In manchen Pilzen (Austernseitlinge, Shiitakepilzen) hat man auch Phenole gefunden, die freie Radikale abfangen können. Pilze sind also durchaus empfehlenswerte Lebensmittel, die man gut mit Gemüse, Getreide, Reis oder Kartoffeln kombinieren kann.
Pilzunverträglichkeit
Pilze sollten nicht roh gegessen werden. Sie können hämolytische Substanzen enthalten. Diese zerstören die roten Blutkörperchen. Durch Kochen werden sie jedoch zunichte gemacht. Auch die Verdaulichkeit der Pilze steigt durch Erhitzen. Es gibt aber auch angeborene Pilzunverträglichkeiten. In vielen Pilzen kommt eine eher seltene Zuckerart, die Trehalose, vor. Manche Menschen besitzen für den Abbau der Trehalose kein entsprechendes Enzym. Sie bekommen nach dem Genuss von Pilzgerichten, auch wenn diese nicht giftig sind, Durchfall und Bauchschmerzen.
Polysaccharide in Pilzen
Die Pilze besitzen Zellwände aus Polysacchariden. Das sind Vielfachzucker, meist aus Traubenzuckereinheiten aufgebaut. Ein Vertreter ist das Pullulan. Das wird großtechnisch gewonnen und ist ein Stärkeersatz. Es wird gerne energiereduzierten Lebensmitteln beigefügt, da es nicht von Amylasen abgebaut werden kann. Man kann es auch zu durchsichtigen Folien pressen. Es wird dann als biologisch abbaubares Verpackungsmaterial verwendet. Auch in Mundpflegemitteln, bei Pharmazeutika, in der Photographie, der Lithographie und Elektronik wird es eingesetzt.
Therapeutische Inhaltsstoffe
Andere Vielfachzucker wie Lentinan oder Krestin werden in Japan und China in der Tumortherapie in Kombination mit Chemo- und Strahlentherapie eingesetzt. Der Wirkmechanismus ist noch lange nicht geklärt. Er dürfte über die Anregung des Immunsystems gehen. In Ostasien und den USA werden sogenannte „Immunoceuticals“, das sind oral verfügbare Substanzen mit Wirkungen auf das Immunsystem, angepriesen, die man aus Pilzen gewinnt. Noch sind solche Nahrungsergänzungsmittel aber als kritisch einzustufen, da die Wirkung erst ansatzweise geklärt ist. Es ist fraglich, ob die Anwendung in solchen Konzentrationen richtig ist. Angesichts der Gesundheitswelle und der Globalisierung ist es jedoch absehbar, dass solche Produkte auch bald bei uns verkauft werden – die Münzen in der Kasse werden klingeln. Im Internet findet man unter Vitalpilzen tausende Eintragungen und Anbieter. In Kapselform werden sie teuer angeboten.
Ich glaube kaum, dass diese Kapseln mehr ausrichten, als wenn ich meine Steinpilze trockne, in einem Küchengerät zerkleinere und das Pulver zum Binden von Suppen und Saucen verwende. Damit umgehe ich die fettreiche Einbrenn, weil das Pilzpulver einfach in die heiße Flüssigkeit eingerührt werden kann. Dazu kommt noch der nicht zu unterschätzende therapeutische Wert, wenn ich auf der Suche nach den Pilzen durch den Wald streife. Nehmen Sie sich die Zeit dafür.
Immer aktuell
Im Newsletter einschreiben und wöchentliche Updates erhalten über neue Artikel und Tipps für eine optimale Gesundheit.
Inge Waltl meint
Danke für den interessanten Artikel!