Warum haben wir, wenn das Wetter kalt und trübe ist, wenn wir Liebeskummer oder Sorgen haben Lust auf Schokolade, aber an einem heißen, hellen Sommertag läuft uns das Wasser im Mund zusammen, wenn wir einen knackigen Salatteller vor uns stehen haben? Unser Essverhalten ist stark von Stimmungen, Launen und der Umgebung abhängig. Wenn es so eine enge Verbindung zwischen Psyche und Essverhalten gibt, ist dann der Umkehrschluss auch möglich, dass wir durch die Ernährung unsere Psyche, unsere Stimmung und unsere Laune beeinflussen können?
Ein friedliches Bild: Ein Baby nuckelt an der Mutterbrust. Erst ist es hellwach und lächelt die Mutter selig an. Dann wird es immer ruhiger, die Augen fallen zu. Schliesslich fällt es wie ein reifer Apfel vom Baum von der Mutterbrust. Es ist friedlich eingeschlafen. Das Baby ist im wahrsten Sinne des Wortes gestillt worden. Es ist ganz still geworden und in einen wohligen Schlaf gefallen. Warum? Natürlich ist es satt, zufrieden, seine Bedürfnisse wurden in jeder Weise gestillt. Auch die Zusammensetzung der Milch hat mitgeholfen. Wissenschaftler haben in der Muttermilch opiatähnliche Stoffe gefunden, die das Baby ruhig und tief schlafen lassen. Nicht nur im ersten Nahrungsmittel, das für den Menschen bestimmt ist, gibt es Stoffe, die auf unsere Psyche wirken. Wir finden sie praktisch in allen Nahrungsmitteln, sei es nun im positiven oder negativen Sinn.
Warum essen wir?
Würden wir eine Umfrage machen, warum wir essen, so könnten wir schnell sehen, dass die meisten Antworten nichts mit Nahrungsaufnahme zu tun haben, um unseren Körper zu erhalten. Dieser Grund wird zwar meistens zuerst erwähnt. Oft essen wir nicht weil wir Hunger haben, sondern um ganz bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Wir essen, um Gemeinschaft zu pflegen, weil es Spass macht, aus Tradition, aus Langeweile, wegen dem Esserlebnis, aus Frust, Kummer und zum Trost. Essen baut nicht nur unseren Körper auf, sondern auch unsere Seele.
Frust-Diäten
Es gibt Diäten, die bekämpfen Fett, also Übergewicht mit Fett. Nicht Fett mache Fett, sondern die vielen Kohlenhydrate, sagen die Anhänger solcher Diäten. Mit viel Fett und Eiweiss, aber ohne Brot, Nudeln und Kartoffeln will man abnehmen. Zunächst lässt sich so eine Diät ganz gut durchhalten, bis es zu einem solchen Heißhunger auf Kohlenhydrate kommt, dass man zuerst heimlich Süßigkeiten nascht und dann endlich offen zugibt, dass man es einfach nicht mehr geschafft hat. Manche, die so eine Diät längere Zeit durchgehalten haben, sind sogar depressiv und reizbar geworden. Was ist passiert?
Kohlenhydrate Balsam für die Seele
Ein Großteil unsere Ernährung besteht im Regelfall aus Kohlenhydraten. Fachleute raten uns, etwa 50 60% der täglich aufgenommenen Energie in Form von Kohlenhydraten zu essen. Das sind also Kartoffeln, Brot, Reis, Nudeln, Müsli. Kohlenhydrate stecken auch in Süßigkeiten und Kuchen. Die Kohlenhydrate, die uns die Pflanzen liefern, sind für sie Reservestoffe. Und die wiederum sind aus lauter Glukosemolekülen zusammengesetzt. Warum braucht unser Körper Glukose um in eine gute Stimmung zu kommen?
Unsere Gehirnfunktionen werden durch Neuronen, das sind Gehirnzellen, gesteuert. Damit die funktionieren, stellt das Gehirn selber Neurotransmitter, das sind Botenstoffe, her. Stimmungen und Gefühle werden von solchen Botenstoffen beeinflusst. Steht dem Gehirn viel von dem Botenstoff Serotonin zur Verfügung, können sich Körper und Seele entspannen. Damit das Gehirn aber Serotonin herstellen kann, braucht es die Baustoffe dazu. Die bekommt es aus der Nahrung. Der wichtigste Baustoff ist Tryptophan. Diese Aminosäure ist ein Eiweißbaustein, der in unserer täglichen Ernährung vorkommt.
Das Tryptophan gelangt umso besser ins Gehirn, je kohlenhydratreicher unsere Nahrung ist. Die Kohlenhydrate lassen den Blutzuckerspiegel und damit den Insulinspiegel im Blut ansteigen. Das Insulin transportiert aber auch Aminosäuren. Es bindet bevorzugt zuerst die anderen Aminosäuren als Tryptophan, um sie in die Zellen zu transportieren. Dadurch sind die Transportmechanismen ins Gehirn für das Tryptophan frei.
Je mehr Tryptophan ins Gehirn gelangt, desto mehr stimmungsaufhellendes Serotonin kann es herstellen, desto besser können wir uns entspannen. Jetzt wissen wir auch, warum Diäten ohne Kohlenhydrate zu Depressionen führen können und nicht lange ausgehalten werden.
Schokolade Seelentröster Nr. 1
Fast jeder kennt den Trost aus der Pralinenschachtel. Schokolade hilft bei Liebeskummer, Einsamkeit, Liebesentzug, Frust und schlechter Laune. Und warum hilft Schokolade? Sie enthält alle Komponenten, um unseren Serotoninspiegel zu steigern: Kohlenhydrate in Form von Zucker, aus der Milch kommt Tryptophan und Fett kommt aus der Kakaobohne. Nur verursacht uns der Zucker eine starke Schwankung der Serotoninwerte. Zucker stimuliert auch die Dopaminproduktion, ein Neurotransmissor der beim Drogenkonsum stimuliert wird, und uns auch vom Zucker abhängig machen kann.
Fettreiche Nahrungsmittel verstärken die Wirkung der Kohlenhydrate beim Tryptophantransport ins Gehirn. Dann kommen noch etwa 800 weitere Stoffe in der Schokolade vor, die zum Teil eindeutig auf unsere Stimmung wirken. Beim Fermentieren der Kakaobohnen entstehen Amine wie etwa Phenylethylamin. Die gleiche Verbindung produziert unser Körper, wenn wir verliebt sind. Es entstehen aber auch Opiate und morphinähnliche Stoffe. Einer heisst Theobromin. Er regt uns an, steigert unsere Stimmung, und wir greifen schon zum nächsten Stück. Auch neuroaktive Alkaloide wie sie bisher nur in Wein und Bier bekannt waren, hat man gefunden. Kein Wunder also, dass Menschen nach Schokolade süchtig werden können und es uns so schwer fällt auf den Tröster zu verzichten.
Das Geheimnis der Italiener
Eine Ernährung, in der Kohlenhydrate überwiegen, wie sie in der italienischen Küche in Form von täglichen Pastas vorkommen, ist wahrscheinlich eine regelrechte Glücksdiät. Vielleicht liegt es unter anderem daran, dass die Italiener die niedrigste Selbstmordrate in Europa haben. Auch das Lichtverhältnis um uns herum beeinflusst den Serotoninspiegel. In der dunklen Jahreszeit ist die Serotoninproduktion deutlich geringer, dafür der Schokoladekonsum wesentlich höher.
Schokolade und Verwandtes heben nur kurzzeitig unser Glücksgefühl. Dann kommt der große Kummer, das schlechte Gewissen. Energieüberschuss in Form von Zucker und Fett lassen das Gewicht steigen. Süssigkeiten, im Übermaß genossen, verdrängen andere wichtige Nährstoffe, die genauso notwendig sind, um uns bei Laune zu halten. Bei zu viel Süßem sind wir zuerst überdreht, dann zappelig, nervös, später müde, dann depressiv und ängstlich. Nur die richtigen Kohlenhydrate bringen auf die Dauer gute Stimmung. Es sind die Kohlenhydrate, die wir aus Reis, Nudeln, Kartoffeln und Vollgetreide bekommen.
Die gute Nachricht ist, dass es auch viele andere Lebensmittel gibt, die unseren Serotoninspiegel steigen lassen, weil sie sehr tryptophanreich sind, ohne dass wir danach süchtig werden.
Lebensmittel mit viel Tryptophan
Die höchsten Tryptophanquellen finden wir in der grünen Mungbohne, in Sojabohnen und in der schwarzen Augenbohne. Tofu enthält dann folglich viel Tryptophan. Alle Nüsse gehören dazu, vor allem die Cashewnuss. Sesam, Sonnenblumen- und Kürbiskerne versorgen uns damit. Wie wäre es mit einem Aufstrich aus Tofu und gemahlenen Kürbiskernen, gut gewürzt mit Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern?
Tryptophan finden wir aber auch in Getreide, Hirse, Haferflocken, Quinoa und Bananen. Ein Müsli mit Getreide, Nüssen, Bananen und Sojamilch versorgt uns daher reichlich mit Tryptophan.
Vitamine und Mineralstoffe helfen unserem Gemüt
Damit das Tryptophan aber auch richtig verstoffwechselt werden kann, braucht es Vitamine aus der B-Gruppe, besonders B6. Das kommt vor allem in allen Getreidearten vor. Folsäure brauchen wir ebenfalls, damit unsere Spannkraft und Vitalität erhalten bleibt. Wir finden es in allem Blattgemüse, auch in Früchten wie Kirschen, Mangos und Orangen. Folsäure wirkt mit Vitamin B12 zusammen. Das kommt fast nur in Milchprodukten und Fleisch vor. Darum müssen Menschen, die solche Produkte ablehnen, ganz besonders auf ihren Vitamin B12 Status achten. B12 Mangel kann zu Depressionen führen.
Unsere Seele braucht aber auch Eisen, Zink, Selen und Jod zum glücklich sein. Kalzium und Magnesium machen unsere Nerven stark. Wir sehen wieder einmal ganz klar, wie wichtig eine abwechslungsreiche, gesunde Vollwerternährung ist. Tabletten können uns nie das liefern, was wir in einer gesunden, naturbelassenen Kost finden.
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